Aphrodites Childs

Wenigen antiken Gestalten ist ein so vielfältiges Fortleben gegönnt gewesen wie Aphrodite, jener Göttin der Schönheit und des liebreizend Weiblichen. Aphrodite, oder in der interpretatio romana Venus - das ist die europäische Anverwandlung der aus dem altorientalischen Raum übernommenen strahlend schönen All- und Sternengöttin Astarte und der großen ägyptischen Fruchtbarkeitsgöttin Isis, der Archetypus der weiblichen Liebes-, Lebens- und Vereinigungslust, nicht "das", aber doch jenes Ewigweibliche, von dem Goethe sagt, daß es uns zu anbetungswürdigen Augenblicken "hinanzieht" oder auch, wie Nietzsche souffliert und gar kein Widerspruch sein muß, in tiefere Lebensabgründe "hinabzieht". Zwar wird gerade diese aphroditisch-heidnische Lebens- und Liebeslust der "Frau Welt" in christlicher, ganz auf ein erlösendes Jenseits zentrierter Zeit als Verführung und "Sünde" dämonisiert und von der "unbefleckten" Gottesgebärerin Maria als dem sublimen Ideal einer "neuen Eva" überlagert. Doch so sehr sich darin die Vorbehalte gegen das urwüchsig Weibliche und das "tierische Leben", über das sich der Christenmensch so erhaben wähnt, überhaupt bündeln - in der Lebenswirklichkeit "überwinden" kann das Lebendige selbst natürlich auch apokalyptische Weltflucht nicht - bestenfalls verzeihen.

Die aufbrechende Neuzeit, der Humanismus und das nachreformatorische Europa setzen kirchlicher Gottes-Stellvertreterschaft und Gnaden-Verwaltung auf Erden eine Wiederbeschäftigung mit den authentischen antiken Quellen und ihrem Ideal des Selbst-Denkens und der unmittelbaren Erfahrung entgegen. Diesem Prozeß, wie er sich sehr unmittelbar in der bildenden Kunst niederschlägt, hat Aby Warburg seine besondere Aufmerksamkeit gewidmet. Daß - zunächst noch parallel zum traditionellen christlichen Bildprogramm, später in vielfältigen synkretistischen Überschneidungen und Vermischungen - Themen wie die "Geburt der Venus", "Venus vor dem Spiegel", "Venus mit Eros" oder "Venus und Mars" mit neuer Macht in den Mittelpunkt des Interesses rücken, ist aus Warburgs Sicht nur das zwangsläufige Resultat einer Verdrängung, die Wiederkehr jener unter der kulturellen Oberfläche nur eine zeitlang und mühsam verdeckter anthropologischer "Ur-Leidenschaften" und Energien, deren Herausforderungen sich der Mensch immer wieder neu stellen muß.

Warburgs vorrangig an der florentiner Renaissance geschulter Blick, der auf den Genotypus hinter den Verkleidungen und Camouflagen gerichtet bleibt, ist der Vorwurf allzu unvermittelter Analogieschlüsse nicht erspart geblieben, wenn er noch in den Idolen der Werbeindustrie unseres Jahrhunderts ferne Abziehbilder antiker Prägestöcke, vor allem der griechischen Götter- und Heroen-Gestalten wiedererkennt. Fraglos sind solche Vorbehalte angesichts jener Flut von Bildern und Bilderwänden, die doch häufig gestaltlos und beliebig bleiben, verständlich. Ebenso falsch auch wäre die Vorstellung, daß die Griechen jene Gestalten und europäische Archetypen "erfunden" haben. Denn zum einen wissen wir spätestens seit Herodot oder Platon, wie lebendig und vielfältig der Austausch dieser griechischen Hochkultur ihrerseits mit den kleinasiatischen Nachbarvölkern, insbesondere mit der ägyptischen Kultur war. Zum anderen wäre die Bezeichnung "Erfindung" aber auch insofern mißverständlich, als diese olympische Götterwelt der Griechen keineswegs als das Produkt eines bloßen Spiels der Phantasie, sondern vielmehr als eine echte religiöse "Erfahrung" (W.F. Otto) betrachtet werden muß.

Woran indes nicht gezweifelt werden kann, ist die unvergleichbare Leistung der frühgriechischen Dichter, Künstler und Denker: ihnen verdanken wir uneingeholte Grundlegungen der Philosophie, der Wissenschaften und der Künste. Sie führen uns in den Tragödien des Aischylos oder Sophokles das abgründige Wesen des aus der Natur herausgetretenen Menschen, in den Gestalten Homers und in den Skulpturen aber auch seine Fähigkeiten vor Augen. Wir denken bis heute in diesen philosophischen Kategorien und Begriffen, erkennen und benennen Dinge, oft ohne uns dessen noch bewußt zu sein, in und mit diesen Gestalten, so daß Warburg durchaus mit einigem Recht davon spricht, daß hier "die Archen" und die "vollendet gestalteten hohen Sinnbilder der gebändigten Urkräfte" geprägt wurden.

"Gebändigt" deshalb, weil Warburg im künstlerischen Akt überhaupt eine für den Menschen unersetzliche Leistung erkennt, die darin besteht, nicht nur zeitlose Bilder der Schönheit zu schaffen, sondern geradezu bedrohliche Abgründe der menschlichen Existenz aufzudecken und sie zugleich, in einem gleichsam apotropäischen Akt, in eben jene künstlerische Entäußerungen und Gestalten "zu bannen". Derart künstlerisch verdichtete Gestalten oder Symbole sind aus Warburgs Sicht unersetzliche Paradigmen der "Vermittlung" von bedrohlich scheinender Wirklichkeit und anvermenschlichender Kulturleistung. Gerade die griechische Kultur hat aber nun in Warburgs Augen diese "Ur-Leidenschaften" des Menschen ebenso umfassend wie unerschrocken herausgefordert und "entfesselt", sie aber zugleich auch in uneinholbaren Sinnbildern "gefesselt", die seither als gestaltprägende Wirklichkeit im abendländischen "Gattungsgedächtnis" fortleben. Dieser Text versucht einen Blick auf den griechischen Archetypus des Aphroditischen zu werfen, auf den die gesamte spätere Ikonographie durch alle Verwandlungen hindurch bezogen bleibt.

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Isis Die Urphänomene des Geschlechtlichen, der sexuellen Vereinigung und Zeugung im weitesten Sinn haben in allen Völkern seit jeher die vielfältigsten Mythen, Kulte und als numinose Mächte verehrte Gottheiten hervorgebracht. In allen Religionen finden sich solche Fruchtbarkeitsgottheiten, zunächst einmal natürlich in Form der weiblichen "Großen Erdmutter" - die Pachamama der Inkas, die keltischen matronae, die germanische Freya, die shintoistische Izanami, die kleinasiatische und später von den Römern übernommene Kybele oder die "großbrüstige Geia" der Griechen, von der Hesiods Kosmogonie berichtet -, nicht selten aber auch - wie im Isis/Osiris-, Aphrodite/Adonis- oder Kybele/Attis-Kult - in Verbindung mit dem Sterben und Auferstehen der "Söhne" und Geliebten dieser Fruchtbarkeitsgottheiten, da die Frage der Zeugung am "Eingang" zum Leben seit jeher nicht nur mit dem Geschlechtlichen, sondern zugleich mit der Frage des Todes am "Ausgang" des Lebens untrennbar verknüpft ist.

Zwar kommt es insbesondere in den Mysterienkulten der hellenistischen Zeit und erst recht der synkretistischen interpretatio romana zu Vermischungen dieser Kulte, doch zunächst einmal laufen die Anstrengungen im griechischen Raum im Sinne von Distinktion und Klarheit gerade darauf hin, die Gestalt der Aphrodite aus den vorgefundenen kleinasiatischen Kulten allererst "zu erhellen" und frei zu stellen. Dieser Gestalt, wie sie die Griechen erschaut und - in einem offenkundig längeren Prozeß - zum Archetypischen hin verdichtet haben, können wir uns vielleicht am ehesten nähern, wenn man ihr Unverwechselbares in einer schrittweisen Unterscheidung von anderen Gestalten des ebenso umfangreichen wie lebhaften olympischen Kosmos herauszuarbeiten versucht.

Es steht außer Frage, daß diese Gestalt in den kleinasiatischen Nachbarländern Vorprägungen erfahren hat, die, wie ähnlich bei Dionysos und anderen "importierten" Gottheiten, von den Griechen in einem längeren Prozeß anverwandelt wurden und so ihre langhin fortwirkende Gestaltdichte erlangten. Schon ein Blick auf die altägyptischen Liebes- und Harfnerlieder zeigt diese Nähen zur Welt Aphrodites und zur griechischen Liebeslyrik überdeutlich: "Die Eine, geliebte, die ohnegleichen, / schöner als alle Frauen, / sie ist wie die Sternengöttin, welche erglänzt / zu Beginn eines guten Jahres / Strahlend an Kraft, mit blendender Haut, / mit leuchtendem Blick im Auge, mit süßen Lippen beim Sprechen, / nie hat sie ein Wort zuviel. / Mit schlankem Hals und blendender Brust, / Lapislazuli ist ihr Haar, / ihre Arme purer als Gold, / ihre Finger voll Anmut wie Lotos. / Langgestreckt die Lenden unter gegürteter Mitte, / ihre Schenkel führen ihre Schönheit fort. / Edel ist ihr Gang, setzt sie den Fuß auf den Boden: / Mit jedem Gruß raubt sie mein Herz (...)"

In ganz ähnlicher Gestalt begegnet uns auch die griechische Aphrodite: zart und majestätisch schön an Gestalt, mit überaus anmutigen Bewegungen. Der Verweis auf "die Sternengöttin" deutet eine weitere genetische Nähe zu Astarte an. Das archaische, für die kleinasiatische Literatur der Frühzeit allgemein kennzeichnende "kataloghafte", sukzessiv-reihende Beschreiben einer Sache vermag durchaus seinen Zauber zu entfalten, wie etwa auch das verwandte Asma asmaton, das "Hohelied" auf die Liebe Salomons zeigt: "Braun bin ich, doch schön, / ihr Töchter Jerusalems, / wie die Zelte von Kedar, / wie Salomons Decken. / Schaut mich nicht so an, / weil ich gebräunt bin. / Die Sonne hat mich verbrannt / Meiner Mutter Söhne waren mir böse, / ließen mich Weinberge hüten; / den eigenen Weinberg konnte ich nicht hüten (...)", heißt es da aus dem Mund der "braunen Braut aus dem Libanon", "einer Lilie unter Disteln", "eine Stute an Pharaos Wagen" und "zwei Tauben sind ihre Augen". Und der geliebte König, "ein Apfelbaum unter Waldbäumen" und "junger Hirsch" antwortet seiner geliebten Braut: "Schön bis du, meine Freundin, / ja, du bist schön (...) / Steh auf, meine Freundin, / meine Schöne so komm doch! / Denn vorbei ist der Winter, / verrauscht der Regen. / Auf der Flur erscheinen Blumen; / die Zeit zum Singen ist da / Schön bist du, meine Freundin, / ja, du bist schön..." (vgl. 1,5/6).

In zarter Heiterkeit wird hier der Zauber der Liebe, die Schönheit der Geliebten (und des Liebhabers) besungen – Erfahrungen glückerfüllter Augenblicke also, mit denen sich auch die griechische Dichtung lebhaft auseinandersetzt. Ihnen erwächst aus dieser Auseinandersetzung Aphrodite, die Göttin der Liebe. In der wohl ältesten erhaltenen Überlieferung, in der Theogonie des Hesiod, gehört Aphrodite zu den großen olympischen Gottheiten der ersten Generation (sie ist also älter als Zeus). Hier wird erstmals die Geburt der Aphrodite beschrieben, wie sie in blendender Schönheit vor Cypern dem Meer entsteigt (deshalb auch die im Altertum geläufige Bezeichnung "Kypris"): Blumen blühen auf ihrem Weg, als sie Land betritt, so wie es Boticelli noch Jahrhunderte später in seinem ganzen Zauber gemalt hat, das Element des Fruchtbaren und Feuchten verbindet sich mit dem einer üppigen und duftenden Flora und Fauna, mit dem Regenerations- und Frühlings-Motiv. Als Attribute der Aphrodite begegnen vor allem Muschel, Delphin, Taube, Schwan und, neben dem berühmten Zaubergürtel, manchmal auch die Gans.

Das Anmutige der Bewegungen, die strahlende Schönheit eines an sich wohlgefallenden Wesens – diese Züge sind zwar auch den frühgriechischen Aphrodite-Darstellungen eigen, jedoch verkörpern sie im griechischen Mythos eigens die Chariten. Aphrodite hat daran, wie auch am Wesen der Musen, zwar Anteil, aber ihre Eigenart erschöpft sich darin keineswegs. Es genügt ihr nicht, kontemplatives Wohlgefallen zu evozieren, sie ist aktiver, ja am Ende ziemlich selbstischer Art. Anders als die Chariten, die sie zuweilen begleiten, und die Musen, deren Gunst sie zuweilen befördern kann, will Aphrodite betören, umfangen und, zuletzt, auch besitzen. Ihre geheime Bestimmung erfüllt sich erst vollends, wenn alle Kreaturen wie sie fühlen, ihrem Alleinheitsgefühl dienen und sie mithin nichts anderes und geringeres mehr neben oder gar über sich weiß.

Bernini Dieser scheinbar narzißtische Zug, wie er insbesondere in der Barockmalerei im beliebten Bildtypus der "Venus im Bade" bzw. "Venus vor dem Spiegel" zum Ausdruck kommt, ist zwar spurenhaft schon im griechischen Archetypus angelegt, doch bleibt der Narzißmus im eigentlichen Wortsinn hier jener namensgebenden männlichen Jünglingsgestalt vorbehalten, der in sein eigenes Spiegelbild auf der Wasseroberfläche so verliebt war, daß er gar nicht mehr davon ablassen konnte. Vermutlich sahen die Griechen diese Dinge klarer als spätere Zeiten, in denen, wie bereits angedeutet, die aphroditische Verführung zum Leben plötzlich nicht mehr als höchster Dienst am Leben selbst, sondern als Verworfenheit und Sünde erschien. Denn in dieser angesprochenen Eitelkeit mag sich vielleicht weibliche "Toiletten-Schönheit" (Schiller) genießen und erschöpfen, dem ursprünglich Aphroditischen scheint es dagegen eher äußerlich.

Dieses autarke Wesen der Aphrodite führte allerdings dazu, daß sie auch schon in der Antike als eine ausgesprochene Macht des Augenblicks mit den Eigenschaften des Unzuverlässigen, Haltlosen, Wechselhaften und potentiell jede Ordnung Auflösenden versehen wurde. Aphrodite ist, dies teilt sie mit ihrem "Bruder" Dionysos, ein von Natur her eher anarchisches Wesen, mit der sich kaum "ein Staat" machen läßt. Hera als Schutzgöttin der Ehe ist im homerischen Mythos nicht ohne Grund die entschiedene Gegnerin Aphrodites, die noch Wichtigeres kennt als Vernunft, Gesetze oder Verträge, und im Grunde allein ihr ureigenes inneres Gesetz anerkennt - und im Auftrag des Lebens anerkennen darf. Aphrodite liebt vor allem eines: sich selbst als die Liebe zur Liebe – und gerade deshalb haben sie die Griechen in ihrem ausgeprägten Sinn dafür, was etwas in seiner Eigenheit wirklich ist, als ein nicht weiter rückführbares Urphänomen, als eine unersetzliche göttliche Macht des Daseins selbst erkannt.

Aufschlußreich an Hesiods Kosmogonie ist die Unterscheidung von Aphrodite und Eros. Anders als Aphrodite als antropomorpher Inbegriff unwiderstehlicher weiblicher Schönheit und Liebeslust erscheint Eros hier als umfassende, vorgängige und ganz universal wirkende kosmische Zeuge- und Werdemacht schlechthin. Er wird in der Theogonie gleichsam als die erste und selbst ungewordene Werdekraft als solche – wenn man so will als der eigentliche, lebendige und ständig fortwirkende "Schöpfergott" – erfahren, der Geia (Erde) und Uranos (Himmel) allererst aus dem anfänglich gestaltlosen Chaos hervorgehen und sie im weiteren in pausenlosen Vereinigungen den Kosmos und die elementaren Wesen des Lebens zeugen läßt.

Uranos' Potenz und Fruchtbarkeit ist indes so gewaltig und unerschöpflich, daß der jüngste Titan, Kronos, den Zeugungsrausch seines Vaters glaubt gewaltsam beenden zu müssen und ihn mit einem Sichelhieb entmannt. Aus der ins Meer gefallenen Zeugungsmacht erwächst bei Hesiod - neben den aus den Blutstropfen hervorgehenden Erinnyen, in der interpretatio romana den Furien, also jene weiblichen Blut- und Rachegeister, die in den Eumeniden des Aischylos so gnadenlos den Vaterrächer und Muttermörder Orestes verfolgen - auch die Liebesgöttin Aphrodite:

"(...) Da entwuchs ihm / Alsbald die Jungfrau. Zunächst zur heiligen Insel Kythera / Wandte sie sich und kam dann zum meerumflossenen Kypros. / Hier, wo der Flut entstiegen die ehrfurchtgebietende, schöne / Himmlische, bettete Gras ihren leichten Tritt. Aphrodite, / Schaumentsprossene Göttin, bekränzt mit den Blüten Kytheras, / Heißt sie bei Göttern und Menschen, sie, die aus Aphros, dem Schaume, / Wuchs. (...) / Göttin der Zeugung sodann, dem Glied der Zeugung entstanden. / Reiz und Liebesbegehren, Eros und Himeros folgten, / Als sie neugeboren zur Schar der Götter emporstieg. / Dies aber hat sie von Anfang als Ehre und Anteil empfangen / Unter den sterblichen Menschen und auch den ewigen Göttern: / Jugendliches Gekose, Gelächter, Spiele der Täuschung, / Lockung und süßeste Lust und die Wonne umarmender Liebe..."

Besonders die beiden letzten Verse charakterisieren die Epiphanie dieser wunderschönen Göttin näher: es ist die Welt der frisch erblühten, frühlingshaften, noch ganz ungetrübt-"adventistischen" und grenzenlos lustvollen Weiblichkeit. Das unbeschwerte, spielerische und ganz sorglos-unbefangene Moment gehört zu Aphrodites Wirkungskreis, nicht aber so sehr die vorweggenommene Transgression in Zeugung, Gebären oder Mutterschaft. Sie hat als "Schaum-" bzw. Samen-Geborene, die unmittelbar aus dem Fleisch des väterlichen Phallus hervorgegangen ist, offenbar die väterliche Vereinigungslust und Lüsternheit, aber weitaus weniger - zumindest im Selbstgefühl - dessen manische Zeugelust ererbt. Merkmale, die sie als distinkte Gestalt weiblichen Liebreizes deutlich abgrenzen von den griechischen Schutzgottheiten des Geburtsaktes (Eilytheia), der ehelichen Treue (Hera), der ethischen Verbundenheit zum väterlichen Gerechtigkeits- und Ordnungsprinzip (Pallas Athene) und vor allem des mütterlichen Austragens und Gebärens von neuem Leben (Geia bzw. Demeter) - und die sie in anderer Hinsicht zugleich in eine genetische Nähe zu den eher vernunftfernen, vitalistischen Gottheiten des Kriegerischen (Ares) und vor allem des seligen Rauschs der erotischen Ekstase (Dionysos) rücken.

In Hesiods Mythos, in dem Aphrodite noch weitaus besser "wegkommt" als bei Homer, dürfte es auch nicht ganz zufällig sein, daß die Olympier ausgerechnet Aphrodites angetrauten Gatten Hephaistos, den sie unablässig betrügt, für besonders berufen und befähigt halten, den Menschen jene trügerische Urfrau Pandora zu formen, die Zeus sich als Antwort auf den Feuerdiebstahl des Prometheus ausersonnen hat: "(...) Denn es formte aus Erde Hephaistos, der ruhmvolle Hinkfuß, / Nach den Plänen Kronions das Bild einer würdigen Jungfrau (...) / Staunen erfüllte da alle: die Götter und sterblichen Menschen, / Vor dem Anblick des Trugs, für Menschen nicht zu durchschauen. / Stammt doch von ihr das Geschlecht der zarter gebildeten Weiber, / Ja von ihr das böse Geschlecht, die Stämme der Frauen, / Die den sterblichen Männern zu großem Leide gesellt sind (...)"

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